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# Resümee
Im Einführungskapitel wurden sechs Ziele formuliert, die mit dieser Arbeit erfüllt werden sollten:
**Cultural Evolution** \newline
Die Übertragung von Mechanismen und Methodik zur Erforschung der natürlichen Evolution auf Kulturverhalten wurde schon im Kontext der frühesten Formulierungen von Evolutionstheorie diskutiert. Forschungsgeschichtlich lässt sich eine Entwicklung von *Evolutionsismus* über die Kritik durch den *Kulturrelativismus* hin zum *Neoevolutionismus* nachzeichnen. Ab Mitte der 1970 Jahre fand eine inhaltliche und strukturelle Diversifizierung der Ansätze statt, aus der *Evolutionary Psychology*, *Human Behavioural Ecology* und *Dual Inheritance Theory* (inklusive der *Memetik*) hervorgingen. *Cultural Evolution* ist heute ein breites, fächerübergreifendes Forschungsfeld mit Schwerpunktthemen wie *Cultural Complexity*, *Social Learning* oder *Cultural Transmission*. *Evolutionary Archaeology* inkorporiert und appliziert Terminologie und Methodik aus diesem Feld und bereichert es um eine diachrone Perspektive.
**Thanatoarchäologie** \newline
*Thanatoarchäologie* beschäftigt sich mit dem Tod in archäologischen Kontexten, also mit dem Niederschlag, den der Tod von Menschen im archäologischen Befund hinterlassen hat. Ihr wichtigster Befundtyp ist das Grab, das aus verschiedenen Perspektiven archäologisch erforscht werden kann: Seine Position in der (Kultur)Landschaft, seine Anordnung in Relation zu anderen Gräbern, seine Beigabenausstattung und schließlich seine Form und sein Aufbau. Gräber sind intentioneller Ausdruck von Ideologie und und somit nur aus ihrem kulturellen und individuellen Kontext verständlich. Archäologie verfügt meist nicht über eine hinreichende Quellenlage, um dem gerecht zu werden.
**Bestattungssitten als Kulturverhalten** \newline
Bestattungssitten sind eine besondere Kategorie von Kulturverhalten, da sie weder als funktionales Verhalten zur Sicherung des Überlebens dienen, noch als Mode leichtfertig und ohne Reflexion ausgetauscht werden. Als mit dem Tod assoziiertes Verhalten reichen Bestattungssitten weit in die Sphären von Ritual und Religion hinein. Eine Charakterisierung dieser Rituale aus Perspektive der *Evolutionary Archaeology* steht aus, jedoch lassen sich Beobachtungen vorweg nehmen: Bestattungen sind emotional negativ aufgeladene Rituale, die je nach Gruppengröße häufig aber unregelmäßig stattfinden und damit Teil der Etablierung dogmatischer Religionen sein können. Bestattungsrituale sind häufig kostenaufwändiges Repräsentationsverhalten, dass die Hinterbliebenen adressiert. Die Intensität der Trauer um Verstorbene folgt auch einer biologischen, kulturunabhängigen Prädisposition des Menschen.
**Archäologischer Überblick** \newline
Im Laufe der europäische Bronzezeit wurden viele unterschiedliche Bestattungsformen praktiziert. Zur Kategorisierung derer, die sich archäologisch fassen lassen, eignet sich die mit den Variablen *burial type* und *burial construction* vorgenommene Gliederung in Brand- oder Körper, bzw. Flach- oder Hügelgrab. In der Frühbronzezeit sind Körperbestattungen wesentlich häufiger, Brandbestattungen treten in Ungarn, im Benelux-Raum und in Großbritannien jedoch in durchaus signifikantem Umfang auf. Die Anlage von Hügel- oder Flachgräbern ist regional stark unterschiedlich verbreitet. In der Mittelbronzezeit gewinnt Totenverbrennung langsam, Grabüberhügelung massiv an Relevanz -- *Hügelgräberzeit*. Die Spätbronzezeit ist dominiert von Brandbestattungen der *Urnenfelderkultur*.
**Datenauswertung** \newline
Radon-B ist eine Datenbank mit ^14^C-Datierungen aus der Bronze- und frühen Eisenzeit Europas. Für diese Arbeit wurden Daten von Gräbern extrahiert, die mit Metainformationen zu *burial type* und *burial construction* versehen sind. So ließ sich ein Proxy zur diachronen Entwicklung der regionalen Verhältnisse der Ausprägungen dieser Variablen errechnen. Radon-B hat strukturelle Defizite und repräsentiert die reale Entwicklung nicht durchgehend korrekt -- wurde allerdings auch nicht für diese Anwendung zusammengestellt. Betrachtet man das diachrone Verhalten eines Maßes zwischenregionaler Kulturdistanz, so zeigt sich, dass die Distanzen der Primärvariablen nicht miteinander und beide nur in der Frühbronzezeit mit der räumlichen Distanz korrelieren. Das ist erstaunlich und erfordert eine Erklärung jenseits des einfachen *Diffusion of Innovation* Paradigmas.
**Simulation** \newline
Die für diese Arbeit entwickelte Simulation greift die Grundidee eines einfachen, generationalen Transmissionsmodells auf, ersetzt allerdings ihren strukturellen Unterbau. Anstelle eines vektor- und gleichungsbasierten Ansatzes, wird ein agentenbasiertes Modell angenommen, in dem Idee als aktive Entitäten in einer Netzwerklandschaft interagieren, die näherungsweise die Form eines diachronen Populationsgraphen abbilden soll. Damit kann das Verhalten von Ideen unter verschiedenen Eingabeparametern vorhergesagt, und ein Vergleichssystem zur Beurteilung der realen Kulturdistanzentwicklung bereitgestellt werden.